Es ist noch früh im Mumbai, obwohl die Uhr schon fast 9 zeigt. Die Staus halten sich in Grenzen, und so kommen wir schnell an unser erstes Ziel – das Gateway of India. Das Wahrzeichen Mumbais wurde 1924 nach 13 Jahren Bauzeit fertiggestellt. Es sollte an den Besuch von König George V und seiner Frau Maria erinnern und als Landestelle für die ankommenden Dampfschiffspassagiere dienen. Durch das Gateway of India verliessen 1948 die letzten britischen Truppen das Land.
Unser Guide, den wir JC nennen sollen – wofür ich nicht undankbar bin, bei meinem miserablen Namensgedächtnis – besorgt die Karten und führt uns zu unseren Boot. Die Fahrt werde eine Stunde dauern, erklärt er. Wir nehmen Platz. Max schaut sich kurz um und will dann lesen, also nehme ich den Kindle raus. Wir legen ab. Ich mache schnell ein paar Fotos, bin aber unzufrieden mit ihnen, da alles im Nebel liegt, umhüllt von einem milchigen Schleier. Ich sehe mich um. Das Boot ist nicht sehr groß. Einige Passagiere sitzen am Oberdeck. Wir bleiben unten. Vorher wurden noch ein paar Säcke mit Maiskolben an dem blauen Deck abgelegt, sie sollen auf die Insel gebracht werden.
Außer uns reisen, unter anderen, drei junge, buddhistische Mönche nach Gharapuri, wie die Einheimischen die Insel nennen. Sie sind sehr jung, vermutlich noch keine 20. Gehült in die bordeauffarbene Kleidung machen sie Fotos voneinander und von den vielen Möwen, die das Boot begleiten. Die Jungs werfen den Vögeln Brotkrümmel zu, lachen und fotografieren was das Zeug hält. Sie sind vermutlich aus Thailand hierher gekommen, zu modern und zu weltlich für die Mönche Indiens.
Ein Stück weiter sitzen drei junge Inderinnen, westlich gekleidet, unbeschwert, lachend. Ich muss schmunzeln wegen ihrer Lebensfreude. Auch sie machen Fotos voneinander und viele Selfies. Ein japanischer Tourist lässt sich von seinem Guide erzählen, was ihn wohl auf der Insel erwarten wird. Ein Paar in mittlerem Alter, Europäer oder vielleicht Amerikaner, sitzt uns schräg gegenüber. Die anderen Mitreisenden sind Inder, darunter eine Frau im leuchtenden, türkisfarbenen Sari. Ihr gehören ein paar der Maissäcke. In der Mitte steht ein Altar. Ram, die siebte Inkarantion Vishnus, soll wohl das Boot beschützen. Bis jetzt klappt es offensichtlich.
Größere und kleinere Boote tauchen nach und nach aus dem Nebel auf. Wir fahren an riesigen Handelsschiffen vorbei, an Fischerbooten, Touristenbotten… Es sieht aus, als hätte jemand ein Gemälde entworfen.
Irgendwann bleibt der Möwenschwarm zurück, stürzt sich vermutlich auf das nächste Boot. Ob es dort auch junge, lachende Mönche mit Brot und Handies gibt?
Wir legen an. Auf der Insel steigen wir in eine kleine Bahn, die uns zum Fuß des Stuffenweges bringt. Nun gilt es, etwa 120 Stufen zu bewältigen. „Puh, Anfänger“, sagt Max. „In Singapur waren es 275 und dann nochmal mehr als 100!“. Ich muss trotzdem ein paar Mal stehen bleiben, bevor wir oben sind. Der Eingang ist dreigeteilt, getragen von Säulen. Die Elephanta-Caves sind beeidruckend. Sie wurden zwischen dem 3. und 5. Jh. erbaut, mit Meisel und Hammer in den soliden Basaltfelsen gehauen. In der Haupthalle tragen etliche Säulen die Decke. Es erinnert mich an alte Kirchen. Wunderschöne Reliefs scmücken die Wände. Sie sind alle Shiva gewidmet, einem der drei wichtigsten Hindu-Götter, neben Brahma und Vishnu. Shiva wird der Zerstörer genannt, der aber zerstört, um neu zu erschaffen.
Die wichtigsten Stellen hier sind der Tempel, in dem Shiva in Form von Lingam (Phallussymbol Shivas) verehrt wird, und Trimurti. Trimurti ist eine Darstellung Shivas als Gott mit drei Gesichtern. Manche behaupten, es gäbe vier Gesichter, das letzte dem Fels zugewandt und daher unsichtbar. Laut unserem Guide repräsentiert das mittlere Gesicht den erschaffenden, meditierenden Gott, das rechte seine weibliche Seite, und das linke den bösen, verärgeten Zerstörer.
Es gibt im Netz viele Informationen zu den Höllen und den Reliefs. Ich will zwei hervorheben, die mir besonders gut gefallen haben.
Das erste zeigt Shiva als Ardhanarishvara, eine Vereinigung von Mann und Frau. Unser Guide erzählte, der Mythos besagt, Shiva wollte einen Dämon bekämpfen, und bat seine Frau Parvati um Hilfe. Daraufhin vereinigten sie sich zu einem Körper. Die männliche Seite stützt dei eine Hand auf Nandi, Shivas Reittier. Die Hand der weiblichen Seite hält einen Spiegel. Auch Brahma und Shiva werden hier dargestellt, und einige anderen Gottheiten. Es soll auch die Gleichgstellung von Mann und Frau symbolisieren. Ob meines mehr als skeptischen Blickes meinte der Guide, die Religion ist das eine, was die Menschen daraus machen das andere…
Das andere Relief zeigt die Hochzeit Shivas und Parvatis. Sie steht auf der rechten Seite ihres Mannes, anders als bei den Hindu-Hochzeiten üblich. Hinter ihr steht ihr Vater, der Gott des Himalaya – Gebirges. Parvati bedeutet Tochter der Berge. Ich mag die Darstellung, es strahlt Wärme, Liebe und Zufriedenheit aus. Leider ist es, wie die meisten Darstellungen hier, beschädigt. Viele der ursprunglichen Reliefs gibt es gar nicht mehr. Viele sind kaputt. Die Zerstörung begann angeblich mit der Ankunft der Portugiesen Mitte des !6. Jh.
Ausser der Haupthöhle gibt es noch einige weitere, in denen aber keine Reliefs gibt, teils weil sie zerstört wurden, teils weil sie geplant, aber nicht erschaffen wurden.
Auf dem Rückweg habe ich Max demonstriert, was man nie, niemals, auf gar keinen Fall machen sollte: ich stolperte über eine Stuffe, viel der Länge nach hin, natürlich Punktgenau auf mein zur Zeit wieder mal schmerzendes Knie und riess mir sowohl die Hose als auch das Knie auf. Zum Glück waren wir schon fertig. Zurück im Hotel, leerte ich eine halbe Flasche Desinfektionsmittel drüber, sicher ist sicher.
Trotz dessen war es ein wunderbarer Ausflug. Ich muss irgendwann ohne Guide auf Elephanta fahren, in aller Ruhe. Vielleicht kommt dann auch Christian mit, er musste diesmal leider im Hotel bleiben.