Wie von Chris versprochen, will ich ein wenig über unseren Besuch in einer echten Geisterstadt bloggen. Wir haben schon im Vorfeld einiges darüber in einer Doku und auch in Reiseführer erfahren, und waren sehr gespannt. Leider hatten wir nicht genug Zeit um beide ehemaligen Salpeter-Werke anzusehen. Aber zuerst mal ein kurzer Ausflug in die Geschichte:
1972 als La Palma gegründet, überholte das Salpeterwerk bald die kurz zuvor nur 2 km weiter eröffnete Santa Laura. Damals gehörte das Gebiet noch zu Peru, kam aber nach dem Salpeterkrieg zu Chile. Es war eines der größten und wichtigsten Salpeter-Abbauwerke des Landes. Die Stadt drum herum konnte sich sehen lassen: ein Theater, ein Hotel, ein Schwimmbad, Schulen, Restaurants – es gab alles, was das Herz der Direktoren, Abteilungsleiter und anderen höheren Angestellten begehrte. Die Arbeiter hatten es natürlich nicht so schön.
Als in Deutschland ein Verfahren zur Synthese von Ammoniak entwickelt wurde, verlor das Salpeter an Bedeutung, die Produktion brach ein und Humberstone wurde schliesslich 1961 zugesperrt. Aus einem Ort, an dem bis zu 3.500 Menschen lebten und arbeiteten, wurde innerhalb kurzer Zeit eine Geisterstadt.
Sie verfiel zunehmend, teilweise durch den Wind und Sand, teilweise durch Diebstahl von Holz und anderer als Baumaterialien geeigneter Dinge.
1970 wurde sie zusammen mit der benachbarten Santa Laura zu den nationalen Monumenten Chiles erklärt. Geholfen hat es wenig. Erst als sich die ehemaligen Pampinos – so nennen sich die früheren Arbeiter und Bewohner der Oficianas Salitreras (Salpeter Werke) – für die Geisterstädte eingesetzt haben, wurden diese langsam wieder, zumindest teilweise, instand gesetzt. Beide sind sie jetzt als Museen zugänglich. 2005 erklärte die UNESCO Humberstone und Santa Laura zu Weltkulturerbe. Gleichzeitig kamen sie auf die Liste der gefährdeten Welterbes.
Und da standen wir nun. Was soll ich sagen: Chris fand das Ganze interessant. Max gefiel das eine oder andere. Ich war begeistert! OK, auch auch wenig traurig. Denn auch wenn vieles renoviert wurde, verfallen immer noch Gebäude. Und wenn man sich die Exponate ansieht, die Möbel, Küchen, Kinderzimmer, Werkzeuge, Maschinen, die ausgestellt sind – da vermisst man die längst verhallten Schritte, das Lachen der Kinder, die hier mal gespielt haben, auch den Lärm der Maschinen, die Stimmen der Menschen, die hier gearbeitet, gelebt, geliebt haben. Ob es in allen Geisterstädten so ist? Es war unsere erste. Wer weiß…
Zu sehen sind Reihenhäuser, in deren Räumen alle möglichen Dinge aus damaliger Zeit ausgestellt werden. Manche sind Originale, manche stammen von damals, wurden aber her gebracht. Kinderspielzeug, Küchengeschirr, Werkzeuge aller Art, Wohnungsausstattungen, Fotos, Dokumente. Viele der bereits renovierten Häuser sind leer. Viele verfallen weiter vor sich hin. Einige Bereiche sich gesperrt. In der Schule stehen Schülerbänke. Die Kirche sieht aus, als würde gleich ein Priester vorbeikommen. Der riesige Pool, angeblich von einem ausrangierten Schiff, rostet langsam. Das Theater steht immer noch, wenn auch nicht mehr ganz in der voller Pracht. Hin und da gibt es Durchblicke, die einem kurz gefangen nehmen.
Was diesen Ort heute ausmacht, ist eine ganz besondere Atmosphäre. Da ist etwas, was ich nicht wirklich in Worte fassen kann… Wie ein Zauber.